Herzlich Willkommen bei den Arbeitsgruppen der Physiologischen Chemie

Wissenschaftlicher Schwerpunkt unserer Arbeitsgruppen sind die Mechanismen der Zell-, Gewebe- und Organschädigung. Anhand diverser Modelle auf unterschiedlichen Komplexitätsniveaus, beginnend mit chemischen Systemen, über kultivierte Zellen, perfundierte Organe und Patientenproben bis hin zu Tiermodellen, werden die Mechanismen der Zell-, Gewebe- und Organschädigung durch reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies, durch Sauerstoffmangel sowie durch Entzündungsprozesse untersucht. Neben der Grundlagenforschung ist es das erklärte Ziel, neue therapeutische Ansätze und diagnostische Verfahren zu entwickeln.

Physiologische Chemie 1

In medizinischen Notfall-Szenarien wie auch bei Organtransplantationen ist eine sofortige und zuverlässige Versorgung mit Sauerstoff von allergrößter Wichtigkeit. Als Antwort auf die begrenzte Verfügbarkeit von Blutkonserven und den Bedarf an Alternativen haben wir künstliche Sauerstoffträger auf der Basis von Perfluorkohlenwasserstoffen und des Proteins Albumin entwickelt. Perfluorcarbone sind synthetisch hergestellte, perfluorierte Kohlenstoffverbindungen (Kohlenwasserstoffe, deren Wasserstoff-Atome vollständig durch Halogene, meist Fluor-Atome ersetzt sind). Aufgrund von Hohlräumen zwischen den einzelnen Molekülen weisen sie im Vergleich zu Wasser, in Abhängigkeit vom Partialdruck, eine hohe Löslichkeit für respiratorische Gase wie Sauerstoff und Kohlendioxid auf und können daher anstelle von oder auch zusammen mit Erythrozyten den Sauerstofftransport im Blut übernehmen bzw. diesen unterstützen.

Die Sauerstoffaufnahme und -abgabe ist zweimal schneller als bei Erythrozyten und direkt proportional zum Sauerstoffpartialdruck. Mehr als 90% des gelösten Sauerstoffs werden an das Gewebe abgegeben, wodurch die dreifache Sauerstoff-Extraktionsrate eines Erythrozyten erreicht wird. Wegen der sehr hohen Kohlenstoff-Fluor Bindungsenergie sind Perfluorcarbone chemisch und metabolisch inert, so dass sie auch mit hochreaktiven Verbindungen keine Reaktion eingehen und keine toxischen Abbauprodukte bilden. Einige Perfluorcarbone, wie beispielsweise das von uns verwendete Perfluorodecalin, können aufgrund ihres hohen Dampfdrucks mit der Atemluft ausgeschieden werden und verlassen so den Körper. Die medizinisch verwendeten Perfluorcarbone enthalten keinerlei funktionelle Gruppen und fallen daher nicht unter das seit Februar 2023 geltende Verbot von Polyfluoralkylverbindungen der EU. In unseren grundlegenden, translationalen Forschungsarbeiten versuchen wir, mehr über die komplexen chemisch-physikalischen Eigenschaften der Substanzklasse der Perfluorcarbon-basierten künstlichen Sauerstoffträger herauszufinden. Für eine maßgeschneiderte Produktion unserer künstlichen Sauerstoffträger in beliebigen Trägermedien ist unserer Meinung nach die Korrelation zwischen Nanostruktur, Stabilität im Trägermedium und mechanischer Belastbarkeit wichtig.

Unser Ziel ist es, funktionale, möglichst nebenwirkungsfreie künstliche Sauerstoffträger zu entwickeln, die problemlos bei Patienten mit Sauerstoffmangel eingesetzt werden können. Für den Einsatz der von uns entwickelten künstlichen Sauerstoffträger sind auch pharmazeutische Belange frühzeitig zu klären. Die Produktion sollte einfach auf den großtechnischen Maßstab der Pharmaindustrie hochskalierbar sein. Unsere Sauerstoffträger sollen die für eine klinische Zulassung erforderlichen Kriterien wie z.B. Sterilität erfüllen und auch problemlos lagerbar sein. Solche Aspekte müssen bereits bei der Auswahl von Synthesemethoden und Konfektionierung sowie Lagerung auch im Labormaßstab berücksichtigt werden.

Im Wesentlichen werden hier aktuell zwei unabhängige Projekte verfolgt:

  1. Das Plasmaprotein Albumin kann nicht nur verschiedene Stoffe transportieren, es kann auch Substanzen umschließen, wodurch diese sowohl im Plasma verharren als auch vor dem Zugriff des Immunsystems geschützt werden. Ein Beispiel sind hier die Sauerstoff-tragenden Perfluordecalin/Albumin-Kapseln von der Arbeitsgruppe Ferenz. In diesem Zusammenhang wird das Albumin so modifiziert, dass es auf ein Signal hin Stickstoffmonoxid freisetzten kann, um unerwünschte, artifizielle Vasokonstriktionen zu regulieren. In einem weiteren Projekt soll das Albumin das intrazelluläre Protein Katalase vor dem Zugriff des Immunsystems im Plasma schützen. Die Katalase deaktiviert Wasserstoffperoxid und wäre ein ideales Therapeutikum für Erkrankungen, die mit „Wasserstoffperoxid-Krisen“ einhergehen. Beispielsweise setzen Pneumokokken Wasserstoffperoxid frei, um das Immunsystem zu schwächen und Lungenentzündungen zu verursachen. Leider beträgt die Plasma-Halbwertzeit der Katalase nur wenige Minuten, was ihren therapeutischen Nutzen stark einschränkt. Es ist inzwischen gelungen, die Katalase mit Albumin zu ummanteln, ohne dabei ihre enzymatische Aktivität zu beeinträchtigen. Derzeit werden in dem Albumin-Katalase Konstrukt lipophile Substanzen integriert, wodurch eine bisher nicht beschriebene antioxidative Kapazität erreicht wurde.
  1. Das zweite, rein theoretische Projekt beschäftigt sich mit der grundlegenden Frage, was den (un)gesunden Menschen grundsätzlich motiviert. Aus biochemischer Sicht bietet sich hier die Freud´sche Triebtheorie an, da Freud die Wirkung von Hormonen vorhersah, die er als Motor-Faktoren klassifizierte, da der Begriff des Hormons zum Zeitpunkt der Entstehung seiner Theorie noch nicht geprägt war. In drei Publikationen (2018, 2019, 2020) wurde die Freud´sche Triebtheorie unter Berücksichtigung des aktuellen anatomischen, physiologischen und biochemischen Wissens überprüft und auf den neusten Stand gebracht. Die ursprünglichen Freud´schen Triebe (Hunger, Durst und Sexualtrieb) wurden dabei um die Triebe Schlaf (welcher neuroanatomisch durch ein Hormon ähnlich orchestriert wird wie die Freud´schen Triebe) und Bindung erweitert. Mit der Einführung von Bindung als Trieb aus neuroanatomischer-biochemischer Perspektive konnte das von Harlow beobachtete Paradoxon zweifelsfrei erklärt werden, wonach für Neugeborene Binding zeitweise wichtiger ist als Hunger. Da alle Triebe letztlich zur Freisetzung von beta-Endorphin führen, welches bei Patienten mit Sucht-Erkrankungen (wie Magersucht, Masochismus, Spielsucht) oder Drogenabhängigen (insbesondere Morphin- und Heroin-Konsumenten) regelmäßig – und teils – stark erniedrigt ist, scheint deren Einfluss auf die allgemeine Gesundheit bisher unterschätzt worden zu sein. Bei all diesen Sucht-Erkrankungen funktioniert IMMER mindestens ein Trieb (häufig die Bindung) suboptimal.

Systemische Inflammation, Sepsis und septischer Schock:

Trotz erheblicher Fortschritte in der Intensivmedizin zählen die Sepsis und der septische Schock immer noch zu den Haupttodesursachen stationärer Patienten. Reagiert das Immunsystem zu stark oder zu schwach auf eine Infektion oder einen vergleichbaren Trigger (u.a. Verletzung, Verbrennung, Ischämie), kann dies zu einem akut lebensbedrohlichen Organversagen führen. Eine Sepsis (Infektion als Auslöser) oder ein SIRS („Systemic Inflammatory Response Syndrome“, Ursache infektiös oder nicht-infektiös), also eine systemische Inflammation, können die Folge sein. Durch die fehlgesteuerte Immunreaktion des Körpers kommt es zu Mikrozirkulationsstörungen, zu einer Minderversorgung von Geweben und letztlich zum akuten Versagen mehrerer Organe, einschließlich Lunge, Nieren und Leber. Versagt zudem der Kreislauf, kann also der Blutdruck über eine längere Zeit auch durch Volumen- oder Medikamentengabe nicht aufrechterhalten werden, spricht man von einem septischen Schock, der die Genesung des Patienten zusätzlich kompliziert und die Überlebenschancen deutlich verringert.

Insbesondere eine frühe Erkennung und schnelle Behandlung der Sepsis und des septischen Schocks ist für das Überleben der Patienten entscheidend. Ziel der Arbeitsgruppe ist daher die Charakterisierung und Validierung prognostischer Marker und die Entwicklung apparativer Verfahren zur frühzeitigen und präventiven Diagnostik einer Sepsis.

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